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LERNEN DURCH VORBILDER

Veröffentlicht am 11.07.2017

Mit 150.000 Euro Anschubfinanzierung fördert die Stiftung Ravensburger Verlag in den ersten drei Jahren die Initiative "Lernkaskade" des gemeinnützigen Vereins und Trägers der freien Jugendhilfe Chancenwerk e. V. an drei Ulmer Schulen. Zum Abschluss des ersten Förder-Schuljahres bewerten die Beteiligten die Ergebnisse als sehr erfolgreich. Bislang 110 Schüler/innen der Ulrich-von-Ensingen-Gemeinschaftsschule, der Albert-Einstein-Realschule und der Elly-Heuss-Realschule profitieren von gezielter Lernförderung in Kleingruppen oder individuell in einzelnen Fächern durch ältere Schüler/innen und Student/innen.

Mit Lerntutoren die schulischen Leistungen verbessern

Kinder der Jahrgangsstufen 5 bis 8 in drei Ulmer Schulen arbeiten in Lernförderkursen daran, ihre Schwächen ab- und ihre Stärken aufzubauen. Das Motto der "Lernkaskade" lautet "Lernen durch Vorbilder": Lernschwache jüngere Kinder werden durch ältere Mitschüler/innen ab der Jahrgangsstufe 9 unter Anleitung eines ausgebildeten Studierenden zweimal wöchentlich für je 90 Minuten schulisch unterstützt. Dafür bezahlen die Eltern einen nach Familieneinkommen gestaffelten Beitrag von 20 bis 60 Euro im Monat. Die älteren Schüler selbst wiederum erhalten für ihr Engagement kostenfrei einmal wöchentlich für 90 Minuten durch Studierende einen gezielten Intensivkurs in ihrem Problemfach. Chancenwerk e. V. stellt die studentischen Tutoren ein und bezahlt sie.
Die Studentin Maleen (rechts) unterstützt als Lernkoordinatorin ältere Schülerinnen in der Ulmer Elly-Heuss Realschule.

"Lernkaskade" bietet eine Win-Win-Situation für alle

"Dieses Prinzip bietet allen Beteiligten eine Win-Win-Situation", sagt der Rektor der Elly-Heuss-Realschule Eugen Epp. Der Pädagoge berichtet, dass immer mehr förderbedürftige Kinder auf Wunsch der Eltern auf die Realschule kommen, die keine Empfehlung dafür erhalten hatten. Am Ende der 5. Klasse würden zwar grundsätzlich alle Kinder versetzt, allerdings blieben nach der 6. Klasse viele im Grundniveau statt ins M-Niveau der eigentlichen Realschule zu rücken. "Da kann eine Initiative wie Chancenwerk nur Gutes bewirken, ich bin froh, dass unsere Schule sich beteiligen darf", meint der Rektor.

Persönliche Beziehungen fördern Lerneifer und Leistungen

Die Pädagogische Koordinatorin des Ulmer Chancenwerk-Projektes zog mit Schulkoordinator/innen eine Bilanz ihrer Erfahrungen im ersten Projektschuljahr. Hier einige Zitate:

"Die Schülerinnen und Schüler sind begeistert, dass ich selbst Schülerin der Schule war, nun studiere und aus mir etwas geworden ist. Zudem spielt mein interkultureller Hintergrund eine große Rolle in meiner Vorbildfunktion. Es macht den Kindern Mut zu sehen, dass jemand, der eine ähnliche Biografie wie sie selbst hat, es an die Universität geschafft hat."

"Die Kinder können im Chancenwerk Unterrichtsinhalte dadurch besser nachvollziehen, dass ihre Lerntutoren sich in einer ähnlichen Situation befinden. Sie können den Kindern Inhalte so erklären, wie sie es selbst verstanden haben."

"Wir erreichen die Kinder in der Lernförderung auf einer anderen Ebene, da wir Zeit für den Aufbau einer persönlichen Beziehung zu den Kindern mitbringen. Sie kommen oft mit ihren Problemen auf mich zu und möchten wissen, wie sie noch besser lernen können. Sie sprechen aber auch über ganz andere Dinge mit uns, zum Beispiel über Beziehungsprobleme unter Freunden."

"Ich bin selbstbewusster geworden und habe gelernt, frei vor Schulklassen zu sprechen. Insbesondere habe ich mich darüber gefreut, wie schnell die Kinder eine Beziehung zu mir aufgebaut haben. Als ich zwei Wochen krank war, haben sofort alle Kinder nach mir gefragt und wollten erst dann wieder in die Lernförderung kommen, sobald ich auch wieder da bin. Ich habe gemerkt, wie wichtig Bezugspersonen für sie sind."

Keine Chancengleichheit im deutschen Schulsystem verwirklicht

"Trotz politischer Bemühungen ist es in den vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen, den Bildungsverlauf junger Menschen von ihrer sozioökonomischen Herkunft zu trennen. Von der angestrebten Chancengleichheit ist das deutsche Bildungssystem weit entfernt, wenn Bildungsstatus und Einkommen der Eltern über die Zukunftsperspektiven von Kindern entscheiden." Dies hatte Chancenwerk-Vorsitzender Murat Vural in Ulm zum Start der Bildungsaktivität des überregional tätigen Vereins mit Hauptsitz im nordrhein-westfälischen Castrop-Rauxel erklärt. Von der Förderung können alle Schüler/innen profitieren, sowohl Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund als auch deutsche Kinder.
Die Studentin Sara (2. v. r.) unterstützt als Lernkoordinatorin ältere Schülerinnen in der Ulmer Elly-Heuss-Realschule.
Die Studentin Maleen (rechts) hilft Kindern, die für sie schwierigen Schulthemen zu bearbeiten.

Stiftung finanziert Ulmer Lernförderung für drei Jahre

"Kein Kind dieser Bildungsinitiative wird aus sozialen Gründen von einer Förderung ausgeschlossen. Stiftungsmittel und Spenden werden gezielt dorthin geleitet, wo das Elternhaus nicht für Nachhilfekosten aufkommen kann und auch keine staatliche Förderung vorgesehen ist", begründet Johannes Hauenstein, Vorstand der Stiftung Ravensburger Verlag, das Engagement für dieses Projekt. Die gemeinnützige Stiftung beteiligt sich an dem Projekt mit einer Anschubfinanzierung von 150.000 Euro für die ersten drei Jahre der Ulmer Aktivität. Mit diesem Betrag können nach Auskunft des Chancenwerk-Vorsitzenden Murat Vural im Rahmen des beschriebenen Modells etwa 100 jüngere und 50 ältere Schüler/innen durch Lerntutoren in ihrer schulischen Entwicklung gefördert werden.

Regionaler Chancenfonds gebildet

Zur Finanzierung der seit 13 Jahren erfolgreich verlaufenden Aktivitäten in 65 Schulen von sieben Bundesländern bildet der Verein regionale "Chancenfonds". Pro jüngerem Kind, dessen Eltern einen subventionierten Beitrag leisten, benötigt der Verein jährlich 500 Euro. Mit der Förderung von zwei jüngeren Kindern kann zusätzlich ein älteres Kind an der "Lernkaskade" teilnehmen. Außerdem können damit auch solche Kinder mitmachen, deren Eltern keinen monatlichen Beitrag aufbringen können.
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