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PHILOSOPH FORDERT WAHLRECHT FÜR KINDER VON GEBURT AN

Festliche Preisverleihungen der Stiftung Ravensburger Verlag in Berlin

Veröffentlicht am 28.11.2018
"Kinder sind politische Wesen, denen ein Wahlrecht von Geburt an zustehen sollte. Dies würde die Position von Familien in der Gesellschaft stärken, und das Parlament würde das Volk umfassender abbilden, als das in der jetzigen Demokratie der Fall ist." Dies sagte der Philosoph Dr. habil. Leander Scholz (Bauhaus-Universität Weimar, Fakultät Medien) in der Berliner Landesvertretung Baden-Württemberg anlässlich der Verleihung der Jahrespreise 2018 der Stiftung Ravensburger Verlag. Scholz hielt den Festvortrag zum Thema "Zusammenleben – Über Kinder und Politik", zugleich der Titel seines Buches (Hanser Berlin).
Als Repräsentant der Landesvertretung Baden-Württemberg begrüßte Johannes Kode (Beauftragter des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst) die Festversammlung.

Leuchtturmpreis für Dolmetscher-Hotline Triaphon

An diesem Abend überreichte Stiftungsvorstand Johannes Hauenstein den mit 12.000 Euro prämierten Leuchtturmpreis der Stiftung für ehrenamtliches Engagement an die Berliner Ärztin Dr. Lisanne Knop (Pädiatrie) und den Hamburger Arzt Dr. Korbinian Fischer (Allgemeinmedizin) für die von ihnen gegründete ehrenamtliche Initiative Triaphon. Sie errichteten eine 24-Stunden-Dolmetsch-Hotline für Kliniken, niedergelassene Ärzt(innen), Hebammen, Pfleger(innen) u. ä. zur Überwindung von Sprachbarrieren. Von dem Dienst, den mittlerweile 200 ehrenamtliche Dolmetscher telefonisch unterstützen, profitieren vor allem Kinder, Mütter und Familien in medizinischen Notsituationen. Das überregionale Projekt startete im Herbst 2017 in der Berliner Kinderklinik Sana Klinikum Lichtenberg.

"Sprache kann Leben retten!"

Als "gelebte Zivilgesellschaft" bezeichnete Dr. Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlverbandes Landesverband Berlin, in ihrer Laudatio die Initiative der Leuchtturmpreisträger. Ihr ehrenamtliches Engagement stehe für die Entwicklung einer "Medizin ohne Sprachbarriere" und könne im Ernstfall Leben retten. Außerdem habe Gesundheit "einen wesentlichen Anteil am Gelingen einer Integration von Menschen in unsere Gesellschaft".
Die Rednerin betonte die Unverzichtbarkeit des Ehrenamtes, das "oft die entscheidenden Impulse gibt, damit sich in staatlichen Stellen oder Institutionen etwas bewegt".

Buchpreis Familienroman für Hannes Köhler

Den ebenfalls mit 12.000 Euro dotierten Buchpreis Familienroman nahm der Berliner Schriftsteller Hannes Köhler für seinen Roman "Ein mögliches Leben" entgegen. Es ist die Geschichte der Reise eines Enkels mit seinem Großvater zu den Schauplätzen von US-Kriegsgefangenenlagern. Der Roman thematisiert, wie das Schweigen über die Kriegs-Traumata das Zusammenleben über Generationen überschatten kann, und bietet Lösungen an.

"Die Vergangenheit lebt in mehreren Generationen weiter"

"Das nach Jahren des Schweigens wiederbegonnene Gespräch zwischen den Generationen in Hannes Köhlers Buch eröffnet Chancen auf Verständnis, Milde oder gar Vergebung innerhalb der Familie", sagte der Literaturkritiker Dr. Uwe Wittstock in seiner Laudatio. "Kluge Familienromane erzählen aus einer gleichsam mikroskopischen Perspektive von der Geschichte der Gesellschaft, deren kleinste soziale Bausteine die Familien sind." Dies sei dem Autor gelungen, der das berühmte Zitat von William Faulkner in seinem Roman "klug, verständnisvoll und beeindruckend" veranschauliche: "Die Vergangenheit ist niemals tot, sie ist noch nicht einmal vergangen."

"Aktive Vaterschaft unverzichtbar"

"Das philosophische Vokabular, mit denen das moderne Ich erfasst wird, ist bis in unsere Gegenwart hinein von den Bindungen zwischen Eltern und Kindern weitgehend unberührt geblieben", kritisierte der Philosoph Dr. Leander Scholz in seiner Festrede. Zum Beispiel blieben die "anstrengende Arbeit des Haushalts und der Kindererziehung als Leistungen weiterhin nicht ausreichend gewürdigt". Selbst die Frauenbewegung habe daran kaum etwas geändert, dass die Familienarbeit häufig noch sehr traditionell aufgeteilt sei. Er knüpfte daran den Ruf nach einer "aktiven Vaterschaft", was auch deutliche gesellschaftliche Auswirkungen haben würde: "Wenn immer mehr Väter und Mütter die Erfahrungen, die sie zu Hause machen, mit in die berufliche und politische Welt nehmen, wird sich diese Welt verändern."

Familie als Keimzelle demokratischen Verhaltens

Scholz verwies darauf, dass die Familie sich demokratisiert habe, seit Frauen mit dem Wahlrecht und freier Berufsausübung ihre Mitsprache im öffentlichen Raum erkämpft hätten. Nun sei der nächste Schritt fällig: "Heute stehen wir vor dem Problem, dass auch die Kinder repräsentiert werden müssen. Ein Wahlrecht von Geburt an wäre ein Schritt in diese Richtung." Den alten Philosophen sei es nicht in den Sinn gekommen, dass Frauen ein Recht auf Mitsprache haben könnten – "ebenso fällt es uns heute schwer, Kinder als politische Wesen zu begreifen". Familie und Demokratien hätten vieles gemeinsam: Beide seien lernende Gemeinschaften, aber "im Umgang mit Kindern kann man die enormen Anstrengungen der Demokratie erlernen".
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