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SPRACHEN LERNEN - JE JÜNGER, DESTO BESSER? PSYCHOLINGUIST WILL MIT PÄDAGOGISCHEN VORURTEILEN AUFRÄUMEN

Veröffentlicht am 18.11.2009

Wahr oder falsch? Je jünger Kinder beim Erlernen einer zweiten und dritten Fremdsprache sind, desto besser. "Falsch!" Professor Dr. Wolfgang Klein vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik Nijmegen/NL räumt mit einem bei Eltern, Pädagogen und Wissenschaftlern verbreiteten "Vorurteil" auf.

In seiner Rede aus Anlass der Verleihung des Ravensburger Medienpreises für Bildung und Erziehung 2009 berichtete der Spracherwerbsforscher in der Berliner Landesvertretung Baden-Württemberg über Forschungsergebnisse zum kindlichen Spracherwerb. Zuvor zeichnete Dorothee Hess-Maier, Vorsitzende der Stiftung Ravensburger Verlag, sieben Journalist/innen für ihre Wettbewerbsbeiträge mit einem Preisgeld von 15.000 € aus.
"Die alltägliche Erfahrung spricht für einen massiven Alterseffekt beim Zweitsprachenerwerb", erläuterte Professor Klein näher. Auch die Hirnforschung habe bereits vor gut vierzig Jahren diesen Effekt mit biologisch bedingten Veränderungen im menschlichen Gehirn erklärt. Etwa um die Pubertät herum verliere das Gehirn die erforderliche Plastizität, um sich eine Sprache "gleichsam von selbst anzueignen – so wie das ein Kind tut". Diese mit dem Schlagwort "Je jünger, desto besser!" auf einen Punkt gebrachte Erkenntnis wurde in der Folge mit der pädagogisch-politischen Forderung verknüpft, man solle mit dem Fremdsprachenunterricht in der Grundschule oder sogar im Kindergarten anfangen. Klein: "Dies lässt sich aus der aktuellen Forschung zum Zweitsprachenerwerb aber nicht begründen."

Forschungen an der Lernentwicklung im Kindesalter zeigen laut Klein Ergebnisse unterschiedlichster Art: Viele Kinder (vor der Pubertät) lernen besser als Erwachsene. Jüngere Kinder lernen oft besser als ältere. Ältere Kinder schneiden oft besser ab als jüngere. Erwachsene lernen oft besser als Kinder. Fazit: "Wenn man den Forschungsstand insgesamt ins Auge fasst und sich nicht einige Veröffentlichungen herauspickt, die einem argumentativ am besten passen, gibt es keinerlei Stütze für die allgemeine Maxime 'Je jünger, desto besser'."

Dennoch hätten die meisten Untersuchungen Alterseffekte in der menschlichen Lernentwicklung gefunden. Jedoch hänge der Spracherwerb von "einer ganzen Fülle von Faktoren ab". Professor Klein: "Deshalb ist es auch falsch zu sagen, der Sprachunterricht müsse möglichst früh beginnen; vielmehr muss der Unterricht eine Reihe von Faktoren in Rechnung stellen, die den Spracherwerb in einer gegebenen Situation prägen. Er muss, wenn man Schlagworte liebt, 'alteradaptiert' sein."

Mehr Informationen über die Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppe "Spracherwerb" im niederländischen Max Planck Institut für Psycholinguistik (Direktor Professor Dr. Wolfgang Klein).
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