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BERLINER WIRTSCHAFTSFORSCHERIN: KINDERARMUT HAT VIELE GESICHTER

Veröffentlicht am 17.11.2008

Mit einem Preisgeld von 15.000 € zeichnete Dorothee Hess-Maier, Vorsitzende der Stiftung Ravensburger Verlag, in der Berliner Landesvertretung Baden-Württemberg sieben Journalist/innen für ihre Wettbewerbsbeiträge zum Ravensburger Medienpreis 2008 aus.

Die Laudatio über "Kinderarmut und ihre Begleiter" hielt Professorin C. Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Sie berief sich dabei auf unterschiedliche nationale und internationale Studien, welche die Lebensverläufe von Kindern und Familien untersuchen.

Wenn das kindliche Wohlbefinden gestört ist

Katharina Spieß: "Kinderarmut ist auch, aber nicht ausschließlich eine direkte Folge von Einkommensarmut. Wenn Kinder mit mehr gesundheitlichen Problemen aufwachsen, niedrigere Bildungsabschlüsse als andere erreichen, wenn die familiären Beziehungen gestört sind, manche Kinder sich auffällig verhalten, kurz: Wenn das kindliche Wohlbefinden negativ beeinflusst ist, dann kann dies auch an der Gesundheit und Bildung der Eltern selbst, an deren Bildungserwartungen für ihre Kinder, an ihren individuellen Fähigkeiten und Vorlieben liegen."

Frühe Kinderarmut kann kognitive Entwicklung beeinträchtigen

Die Gastrednerin zitierte aus einem der neuesten internationalen UNICEF-Reports, wonach in besonders vielen deutschen Haushalten mit Kindern (9 %) keine erwerbstätigen Erwachsenen leben. Auch ist das Armutsrisiko für Menschen mit höherem Bildungsniveau in Deutschland größer als im EU-Durchschnitt. Generell schrumpfte der Anteil von Paarfamilien (also mit zwei Elternteilen) an der deutschen Mittelschicht seit 2006 um 3 Millionen Menschen.
Kinderarmut habe nicht nur materielle Konsequenzen, berichtete Katharina Spieß. Internationale Studien hätten ergeben, dass Armut in früher Kindheit häufig mit schlechteren Ergebnissen bei Intelligenztests verknüpft ist – insbesondere dann, wenn keine entsprechende Förderung des Kindes und eben auch der Eltern stattfindet.

Geldmangel beeinflusst Schulerfolg von Jugendlichen

Andererseits spiele das materielle Einkommen einer Familie zu Schulzeiten für den Schulerfolg von Jugendlichen eine größere Rolle als das Einkommen in der frühen Kindheit. Und Kinder aus einkommensarmen Familien mit Migrationshintergrund besuchen mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Gymnasium als Kinder mit gebürtig deutschen Eltern.

Eltern als Experten ernst nehmen

"Es reicht also nicht aus, die finanziellen Ressourcen von Familien und die Infrastruktur für Kinderbetreuung und Bildung zu verbessern – auch wenn diese Maßnahmen unstrittig sehr wichtig sind. Die Familie muss stärker eingebunden werden in alle Aktivitäten, weil sie für die Entwicklung der Kinder zentral ist. Wenn die Kitas und die Eltern noch stärker kooperieren und sich die Kitas auch als Zentren verstehen, welche die Eltern einbinden, dann sind noch bessere Erfolge zu erwarten", schlussfolgerte Katharina Spieß.

Elternvernetzung als Präventionsprogramm

Eltern sollten im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen integriert, vernetzt, informiert, beraten, weitergebildet, gefördert werden, besonders auf kommunaler Ebene und in "sozialen Brennpunkten". Die positiven Folgen: "Wenn Eltern als Experten ernst genommen und in Strukturen eingebunden werden, ändert sich ihr Verhalten und das Familienklima. Ein besseres Präventionsprogramm gibt es nicht!"
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